Diplom - Psychologin Sarah Willeke
Heutzutage führen viele Menschen eine Fernbeziehung. So ergab eine Umfrage aus dem Jahr 2018, dass 22 % der befragten Männer und 16 % der Frauen bereits mehrere Fernbeziehungen in ihrem Leben hatten (Quelle: Statista). Aktuell ist mindestens jede siebte Beziehung in Deutschland eine Fernbeziehung; durch Online-Bekanntschaften und Dating-Portale ist die Tendenz sogar noch steigend. Beziehungen auf Distanz können jedoch zu einer psychischen Belastung werden. Vielleicht haben Sie sich auch schon eine der folgenden Fragen gestellt: Werden wir uns fremd? Wird unsere Beziehung das schaffen? Werden sich unsere Leben in verschiedene Richtungen entwickeln? Hinzu kommen Gefühle von Einsamkeit und Niedergeschlagenheit. In diesem Artikel werden daher ein paar Tipps vorgestellt, die Ihnen dabei helfen können, Ihre Fernbeziehung zu meistern und die Sehnsucht nach dem Partner zu lindern.
Fernbeziehungen können eine Partnerschaft auf die Probe stellen. Durch die körperliche Distanz wird oft ein Verlust von Nähe verspürt. Statt sich wie viele Paare jeden Tag sehen zu können, ist dies meist nur an den Wochenenden (oder noch seltener) möglich, die sehnlichst erwartet werden. Gerade während der anfänglichen (starken) Verliebtheitsphase können Trennungen auf Zeit schwierig und schmerzhaft sein. Außerdem spielt für viele Menschen Eifersucht in einer Fernbeziehung eine Rolle. Darüber hinaus ist es nicht einfach, wenn man dem eigenen Freundeskreis immer nur vom Partner oder der Partnerin erzählen kann, ein Kennenlernen jedoch nicht möglich ist. Doch trotz dieser Schwierigkeiten sollten die Vorteile einer Fernbeziehung nicht außer Acht gelassen werden: Anders als in den meisten anderen Beziehungen stellt sich nicht der berüchtigte (und gefürchtete) „Alltagstrott“ ein, weil es schlicht keinen normalen Alltag gibt. Stattdessen werden die kleinen Dinge groß und bedeutsam. Die gemeinsame Zeit wird viel intensiver erlebt und kleine Aufmerksamkeiten wertgeschätzt. Des Weiteren ermöglicht eine Fernbeziehung ein überdurchschnittlich hohes Maß an Unabhängigkeit. Die PartnerInnen führen neben der Beziehung noch ein eigenständiges, unabhängiges Leben und haben viel mehr Freiraum und Zeit für Hobbys, ihren Job und sich selbst. Vielleicht hilft es Ihnen, diese Vorteile im Hinterkopf zu behalten. Zusätzlich werden Ihnen im Folgenden ein paar Tipps vorgestellt, die dabei helfen können, mit der Situation umzugehen und eine erfüllende Partnerschaft zu führen.
Auch wenn es in einer Fernbeziehung nicht möglich ist, sich jeden Tag zu sehen, ist es doch wichtig, dass Sie den engen Kontakt halten. Nur so kann die emotionale Nähe aufrechterhalten werden. Möglich sind lange (Video-)Telefonate am Abend oder auch nur kurze WhatsApp Nachrichten über den Tag verteilt. Dies signalisiert dem Partner, dass er Ihnen wichtig ist und umgekehrt natürlich auch (die Kontaktaufnahme sollte keine Einbahnstraße sein). Außerdem bleiben Sie so über das Leben des anderen auf dem Laufenden. Wichtig zu beachten ist hierbei, dass die Nachrichtenfrequenz nicht übertrieben wird; dass Sie oder Ihr Partner also nicht „klammern“ und einander ausreichend Freiraum lassen. Auf diese Weise fühlt sich niemand bedrängt und zudem verebbt der Gesprächsbedarf und -stoff dann nicht. Empfehlenswert wäre ein größeres „Update“ am Abend, bei dem Sie sich gegenseitig von Ihrem Tag erzählen.
Manche Menschen finden es nervig, ständig SMS zu beantworten, andere mögen vielleicht keine Videogespräche. Probieren Sie sich einfach aus und sprechen Sie über ihre Vorlieben. Dabei müssen Sie wahrscheinlich beide zu Kompromissen bereit sein und einen goldenen Mittelweg finden, mit dem beide zufrieden sind. Sollten Sie einmal für längere Zeit nicht erreichbar sein, informieren Sie Ihren Partner darüber, denn so macht er sich keine unnötigen Sorgen und reagiert nicht eifersüchtig.
Es ist wichtig, auch über die Entfernung hinweg über Probleme zu sprechen und miteinander zu kommunizieren. Denn auch für Fernbeziehungen gilt: Kommunikation ist der Schlüssel zum Erfolg. Dazu gehören auch Diskussionen und Meinungsverschiedenheiten - schieben Sie Konflikte daher nicht auf die lange Bank! Es ist verständlich, dass Sie die kostbare gemeinsame Zeit und gute Stimmung nicht dämpfen wollen, aber die Probleme und Unzufriedenheit stauen sich an und können zu innerer Distanz führen. Tragen Sie Konflikte deshalb lieber gleich aus und lernen Sie, diese auch während der Trennungszeit z. B. am Telefon zu klären. Wichtig ist es hierbei ebenfalls, den Gesprächen nicht aus dem Weg zu gehen oder den Partner willentlich zu ignorieren. Wie eine positive Kommunikation auch bei schwierigen Themen gelingen kann, können Sie in dem Beitrag…. lesen.
Es ist empfehlenswert, dass Sie sich bei Ihrem Wiedersehen nach langer Zeit erst einmal Zeit zu zweit nehmen, bevor zum Beispiel Familie und FreundInnen eingeladen werden. Denn aufgrund der längeren Trennungsphasen sind PartnerInnen oft verunsichert, ob sich der jeweils andere vielleicht verändert hat, und Gewohnheiten und Macken müssen erst nach und nach entdeckt werden. Es ist also absolut normal, wenn der erste Kontakt immer etwas zögerlich und verlegen ist. In der Regel legt sich das aber schnell und es ist, als ob Sie nie weggewesen wären. Häufig verändert sich dies aber auch in Abhängigkeit von der Länge der Beziehung.
Bei Ihren Gesprächen können und sollten dann auch ganz alltägliche Dinge besprochen werden – wie bei anderen Paaren auch. Durch banale Gesprächsthemen (Haushalt, Sport etc.) wird mehr Normalität und Vertrautheit erzeugt. Außerdem kann so vermieden werden, dass der Partner / die Partnerin idealisiert wird, was aufgrund der Entfernung bei Fernbeziehungen leicht passieren kann.
Insbesondere nach dem erneuten Abschied ist die Sehnsucht groß - nach der gemeinsamen und intensiven Zeit kommt es Ihnen vielleicht so vor, als wäre da jetzt nur eine riesige Leere. Dann kann es helfen, wenn Sie schon direkt zusammen das nächste Treffen planen; einen Zeitrahmen festlegen und was Sie vielleicht unternehmen wollen, wenn Sie sich wieder in die Arme schließen. Das steigert die Vorfreude und gibt Ihnen Motivation und Kraft für die Trennungsphase. Gemeinsam Pläne für die Zukunft zu schmieden, kann generell ein sehr wirksames Mittel gegen Sehnsucht sein. Denn wenn man nicht weiß, wie es mit der Beziehung weitergehen soll oder wann man sich überhaupt wiedersehen wird, vermisst man den Partner oder die Partnerin umso mehr. Sprechen Sie daher darüber, wie sie sich jeweils Ihre Zukunft vorstellen und was das Ziel für Ihre Beziehung ist. Möchten Sie zum Beispiel in einem Jahr zusammenziehen? Wichtig ist, sich oder den Partner / die Partnerin dabei nicht unter Druck zu setzen, sondern zunächst ganz unverbindlich über Vorstellungen, Erwartungen, Wünsche und Unsicherheiten zu sprechen.
Die digitale Welt bietet zahlreiche Möglichkeiten, sich auch bei physischer Distanz nahe sein zu können. Sie können zum Beispiel Ihren Kalender online teilen, sodass der Partner weiß, wann Sie Zeit haben und was Sie so unternehmen. Das schafft dann wiederum die Basis für Gespräche und das Gefühl, Teil am Leben des anderen zu haben („Wie war der Theaterbesuch gestern?“). Sie können auch zusammen eine Fotopinnwand aufbauen oder einen Blog führen. Viele Paare unternehmen auch zeitgleich dieselben Dinge – beispielsweise können Sie einen Filmeabend veranstalten, während Sie über Skype oder Facetime miteinander verbunden sind, es gibt auch Streamingdienste, die dieses Feature anbieten. Das lässt sich auf ganz viele Aktivitäten übertragen (Kochen, Putzen, Lesen usw.). Sie können sich außerdem Kleinigkeiten zuschicken wie Liebesbriefe, Pralinen oder Postkarten. Dem Geschenksender macht das Auswählen und Verschicken Spaß und der Empfänger hat kurz das Gefühl, als wäre der andere bei ihm. Probieren Sie es einfach mal aus!
Sie sollten sich gegenseitig so oft besuchen, wie es die Zeit und das Budget erlaubt. Physische Nähe ist essenziell, um Vertrauen und Bindung aufzubauen und zu vertiefen. Während der Besuche können Sie gemeinsam Ihren Lieblingsaktivitäten nachgehen. Es muss also in keiner Weise unbedingt etwas Exklusives sein. Sie können auch persönliche Sachen in der Wohnung des jeweils anderen lassen. Zum einen vereinfacht das zukünftige Besuche und zum anderen vermittelt dies das Gefühl eines gemeinsamen Haushalts.
Fernbeziehungen bergen die Gefahr, dass das eigene Leben in den Hintergrund rückt und der Fokus ganz auf den nächsten Besuchen liegt. Machen Sie Ihr Glück also nicht vollkommen von der Partnerschaft abhängig, sondern bauen Sie sich ein soziales Umfeld außerhalb der Partnerschaft auf, d.h. einen Freundeskreis und am besten ein eigenes Hobby. Das lenkt Sie einerseits von Ihrer Sehnsucht ab und ermöglicht andererseits ein unabhängigeres Leben und die Weiterentwicklung Ihrer Persönlichkeit. Sehen Sie die Beziehung als eine Ergänzung – eine Bereicherung für Ihr Leben, die einen hohen Stellenwert hat, aber nicht den gesamten Raum einnimmt. Genießen Sie auch die Zeit für sich allein und nicht nur die gemeinsame.
Fernbeziehungen sind keine Seltenheit – häufig erfordert es die berufliche Situation oder die Ausbildungssituation eines oder beider PartnerInnen, dass die Partnerschaft zum Teil auf Distanz geführt wird. Dies kann auf Dauer sehr schwer und belastend werden. Sehnsucht, Misstrauen, Eifersucht und Missverständnisse in der Kommunikation sind mögliche Gründe hierfür.
Dennoch stimmt in keiner Weise das noch immer verbreitete Vorurteil, dass Fernbeziehungen von vornherein zum Scheitern verurteilt sind. Einige Paare erkennen für sich auch viele Vorteile und entscheiden sich langfristig für dieses Lebensmodell. Wenn beide die Beziehung wirklich wollen und sich dementsprechend verhalten, kann die Partnerschaft trotz Distanz sehr erfüllend sein. Damit eine Fernbeziehung funktionieren kann, braucht es in jedem Fall von beiden Seiten Vertrauen und Toleranz als Fundament. Seien Sie füreinander da und unterstützen Sie sich gegenseitig - Sie sollten beide jederzeit über Probleme sprechen können. Eine Fernbeziehung eröffnet die Möglichkeit, sich über Wünsche und Erwartungen an die Partnerschaft klar zu werden. Was ist Ihnen wichtig, was Ihrem Partner / Ihrer Partnerin? Wie soll Ihre Beziehung langfristig aussehen? Das bedeutet gleichzeitig, dass Sie sich intensiv austauschen und vollkommen offen zueinander sein sollten. PartnerInnen müssen sich für das Gelingen der Beziehung einsetzen.
Letztendlich sollten Sie versuchen, sich mit der Situation zu arrangieren und das Beste daraus zu machen. Wichtig ist, dass Sie Ihr Leben nicht in „getrennt“ und „zusammen“ teilen. Führen Sie sich stattdessen vor Augen, dass sich alles zu einem Ganzen fügt – zwar aus verschiedenen Lebenswelten, aber dennoch vollständig. Beide Bereiche Ihres Lebens lassen sich vereinbaren und zusammenfügen, wenn Sie gemeinsam daran arbeiten.
Dieser Beitrag ist in Zusammenarbeit mit Dorothee-Emanuela Gohr entstanden.
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